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2022 - Treppenlauf
Geschrieben August 2022 Letztes Jahr bin ich den Feuerwehr-Treppenlauf in Köln mit einem Kameraden in voller Feuerwehr-Ausrüstung gelaufen. Das war zu leicht! Dieses Jahr bin ich grade in meiner ABC-Ausbildung, das heißt ich lerne, wie ich mit den dicken, gelben Gummi-Schutzanzügen umgehen muss. Und was liegt da näher als zu versuchen, den Treppenlauf im Chemikalien-Schutz-Anzug (CSA) zu versuchen? Ich habe überall rum gefragt: beim Umweltschutzdienst, auf den Berufsfeuerwehrwachen, sogar bei der Flughafen-Feuerwehr: niemand wollte mit mir im Team in den Dingern starten. Alle haben mich für verrückt erklärt. Es gab nur einen einzigen Kameraden, der je etwas vergleichbares versucht hat, der konnte aber am Tag des Kölner-Treppenlaufs nicht. Ich habe also erst den Veranstalter gefragt, ob ich das machen darf. Die Antwort war, dass ich als einfacher Solo-Läufer starten kann, weil es nicht den bei diesem Lauf vorgeschriebenen Regeln für Feuerwehrausrüstung entspricht. Dann habe ich in der Feuerwehr gefragt, ob ich die gelbe Gummi-Ausrüstung für meinen Treppenlauf-Versuch verwenden darf. Auch hier war die Antwort positiv. Ich hatte ein bisschen Angst: wenn alle sagen, dass es nicht geht und total verrückt ist, spricht einiges dafür, dass es schwer wird. Vor allem diejenigen, die sich richtig gut mit den gelben CSA auskennen, haben nur den Kopf geschüttelt. Meine größte Sorge war, dass ich mich in meinem privaten narzistischen CSA-Versuch so verausgabe, dass ich danach den Teamlauf mit meinem Feuerwehr-Kameraden versaue. Dass wäre total unkameradschaftlich und egoistisch von mir. Eine Besonderheit bei den Chemikalien-Schutz-Anzügen ist, dass man sie alleine weder an- noch aus-ziehen kann. Ich habe deshalb einige Freunde gebeten, mich beim Treppenlauf zu supporten. Eine Boden-Crew zum Anziehen und um mich an den Start zu bringen. Dann hat sich Pierre, mit dem schon das Kleeblatt und vor allem der 6h-Lauf so gut geklappt hat, bereit erklärt, mich auf der Treppe zu begleiten. Er kann super Erste Hilfe leisten und auch Reanimieren, falls ich das brauchen sollte. Und Marius konnte als Fotograf dazu kommen. Mit solchen Freunden geht fast alles. Am Sonntag Morgen bin ich dann extra früh zum Mediapark gefahren und habe in der Tiefgarage mein Auto aufgebaut. Alles bereit für die zwei Starts des Tages. Ich stehe neben dem Auto und bin angespannt, nervös, ängstlich, verbissen und kantig. Die Musik (dArtagnan - C'est la vie) dröhnt aus den Boxen über die Stellplätze. Wer nicht kämpft, hat schon verloren, Nur wer fällt, steht wieder auf C'est la vie So nimmt das Leben seinen Lauf, Darum haben wir geschworen, Unser Feuer brennt nie aus. Dieses Lied bestimmt seit Tagen meinen Weg. Ich singe es mit, ich höre es in meinem Kopf, es ist der Sound zu meinem Willen, auf die Treppe zu gehen. Oben helfen meine Freunde mir in den Anzug. Erstaunte Gesichter schauen uns, schauen mich an. Der gelbe Gummianzug fällt auf. Jemand möchte ein Selfie mit mir. Als die Elite-Einzelstarter durch sind, wird meine Flasche angeschlossen und der Anzug zu gemacht. Hier bin ich froh, das Carsten aus meinem ABC-Lehrgang dabei ist, denn er hat die nötigen Handgriffe drauf. Jetzt bin ich hier drinnen allein. Atemzüge aus der Pressluftflasche in die Maske sind alles, was ich höre. Außerhalb des Anzugs ist weit weg und nur durch die kleine, verkratzte Scheibe zu sehen. Glücklicherweise ist Pierre bei mir. Ich lege meine Hand auf seine Schulter und er bringt mich an den Start. Eigentlich wären unsere Startnummern erst später dran, aber ich hatte extra am Freitag mit dem Veranstalter telefoniert und vom Chef selbst die ausdrückliche Erlaubnis bekommen, dass ich mich vorne anstellen darf. Erwartungsgemäß weiß der Startleiter nichts von dieser Absprache und ebenso erwartungsgemäß klärt Pierre das freundlich und verbindlich. Wer solche Freunde hat, kann fast alles schaffen. Das gibt mir Mut und Kraft. Wir gehen los. Klar gehen wir: im Chemikalien-Schutz-Anzug wird nicht gerannt. Treppenhaus, die ersten Stufen. Es geht gut! Ich probiere ein oder zwei Etagen, ob ich den Handlauf verwenden möchte, entscheide mich dann aber dagegen, weil der Anzug dann an der Wand schleift. Das würde zu viel Kraft kosten. Bei ca. Etage zehn gibt mir Pierre ein Zeichen, dass jemand überholen will und ich gehe ganz an die Wand. Ich muss mich schonen, darf nicht kämpfen! Ich brauche meine Kraft vor allem für den zweiten Start nachher mit meinem Kameraden. Es kann nicht sein, dass mein Ego-Trip im gelben Gummianzug meinem Team-Kameraden den Lauf versaut! Also lasse ich es ruhig angehen und marschiere einfach Stufe für Stufe aufwärts. Pierre ist bei mir und feuert mich an. Ich kann nichts von dem verstehen, was er sagt, aber es tut unendlich gut, seine Stimme zu hören! Freunde!
Ab und zu versuche ich die Zahl zu lesen, die die Etage anzeigt, aber das geht nicht mehr. Der Chemikalien-Schutz-Anzug ist Gas-Dicht, das heißt es kann kein Gas und keine Luft von außen in den Anzug. Deshalb trägt man im Anzug das normale Atemschutzgerät, also Pressluft-Flasche und Maske. Die ausgeatmete Pressluft entströmt in den Anzug und bläht diesen ein bisschen auf. Vor allem aber beschlägt die Sichtscheibe von innen. Die Kombination aus einer verkratzten Leih-Maske der Feuerwehrschule, einer verkratzten Scheibe des Leih-Anzugs und reichlich Kondenswasser macht die Scheibe zu Milchglas. Ich weiß, wo das Treppenhaus ist und kann sogar die Stufen treffen, aber um die Schrift mit der Etagennummer zu lesen müsste ich näher ran gehen und anhalten. Und so viel Zeit wollte ich mir für so was wirklich nicht nehmen. Schonung für den Team-Lauf: ja. Pause zum Schilder-lesen: nein. Dann wird Pierre lauter und seine Stimme klingt euphorisch: wir müssten bald oben sein! Und ja: ich höre das Ziel. Dann bin ich durch: Etage 39. Ging ganz schnell und einfach, gar kein Problem. Ich bin begeistert, ganz viel Angst und Sorge fällt von mir ab. So viele Leute haben mir gesagt, dass das es nicht geht und ich habe ich doch geschafft. Ich knie ein oder zwei Minuten auf der Matte und hole Atem, dann ziehe ich den Anzug ganz aus und wir fahren mit dem Aufzug runter. Unten gibt es Medaillen für Pierre und mich und dann kommen wir zum Stand des Feuerwehrsportvereins. YES! Ich habe es geschafft. Und das mit sehr guten 140 Bar Restdruck auf der Flasche. Kleiner Einschub: je leistungsfähiger jemand ist, desto weniger Luft verbraucht er bei der selben Belastung aus der Flasche. Deshalb erzählen Feuerwehrleute mit Stolz, wie hoch nach einer Übung der Restdruck ist.
Nach ein paar Minuten gehen wir vom Platz wieder runter in die Tiefgarage. Neben dem Auto stehen Liegestühle, Essen, Trinken: mein VP. Hier 10m unter dem wimmeligen Platz, an den Wurzeln des großen Turmes, haben wir ein bisschen Ruhe. Tobi und ich erholen uns plaudern, lachen und bereiten uns vor. Dann gehen wir wieder hoch: auf Tobi wartet der große Einsatz, auf mich der zweite Start für heute. Wir stellen uns an, lachen mit dem Team in der Schlange vor uns und rücken zum Start vor. Das Anschließen der Flaschen ist für mich inzwischen normal geworden.
Start. Tobi läuft von Anfang an deutlich schneller, als ich erwartet hatte. Er ist jung, fit und ehrgeizig. Allerdings bin ich mir sehr sicher, dass er in dem Tempo nicht bis oben kommt, schließlich weiß ich genau, wie weit es bis oben ist und durch seinen 5km-Lauf in Neuss kann ich auch sein Fitness-Level einordnen. Daher weiß ich, dass ich ihn jetzt noch bremsen muss. Bis zum 10. Stock würde er mir sonst weit davon laufen und ab 25 einbrechen. Wir schaffen ein gleichmäßiges Tempo, fast bis oben und sind in 10 Minuten oben. Wieder ganz locker, 150 Bar Restdruck. Das ist fast ein Drittel mehr als letztes Jahr. Ich bin fit und freue mich drüber. Dann holen wir unten wieder unsere Medaillen ab, meine zweite für heute. Cool! Fazit: Ich freue mich über Medaillen, Urkunden und positives Feedback. Aber ich bin stolz, dass ich solche Freunde habe! Wer solche Freunde hat, der hat nicht alles im Leben falsch gemacht! Danke, dass ihr für mich da wart. zurück zur Startseite |