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2022 - Inside Köln-Pfad
Geschrieben Juni 2022 Als der Köln-Pfad vor vielen Jahren, es war 2009, das erste mal als Ultra-Marathon ausgerichtet wurde, war ich sehr gut trainiert und sicher fit genug, das Ding zu schaffen. Schließlich läuft er fast direkt vor meiner Haustür lang. Aber zwei Wochen später war der UTMB und ich wusste, dass ich vermutlich keine zwei solche Brocken in so kurzem Abstand schaffen konnte. Also habe ich gedacht, dass ich den Köln-Pfad ja immer wieder machen kann. Ist ja vor der Haustür. Und so habe ich auf Bitten von Wolfgang, dem damaligen Organisator, einen VP gemacht. 2009: Markus und ich an einem schönen heißen Sommerabend an einem schönen Parkplatz im Kölner Süden (Eifeltor). VP bei Km 100. Und irgendwann haben sich zwei sehr hübsche Damen erkundigt, was wir hier so machen. „Verpflegungspunkt für Ultra-Läufer“ haben wir ausführlich erklärt und dann unsere Gummibärchen und Apfelschnitten angeboten. Sie wollten weder Gummibärchen noch Apfelschnitten. Als wir den VP dann gegen Mitternacht abgebaut haben und von der Laufstrecke zurück zum Auto auf dem Parkplatz gegangen sind, haben wir verstanden, warum. Auch Einheimische lernen manchmal Neues über ihre Stadt, was sie nicht wissen wollten. Die Jahre vergingen und es war immer klar: der Flo macht einen VP beim Köln-Pfad! Und deshalb bin ich bis heute noch nie mit gelaufen, weil VP halt auch immer Spaß macht. Ab 20xx habe ich dann, unter der Orga von Tom und Thorsten, den VP bei Kilometer 42 in Pesch betrieben. Da sind die Läufer dann um Mitternacht am Thuleweg gestartet und bei Markus und mir so ab morgens 04:00 vorbei gekommen. Also haben wir jedes, wirklich jedes Jahr, um 03:55 gesagt: „Kein Bier vor Vier!“ --- „Egal“ --- PLOPP! Dieses mal, also 2022, wollte ich mehr! Nur den VP betreiben reicht mir nicht mehr: ich will tiefer einsteigen, mehr mit nehmen. Schließlich bin ich inzwischen zu alt, um eine Party zu verpassen! Also habe ich schon ab Mittwoch Abend mit Tom auf dem Gelände am Thuleweg übernachtet. Als ich zum Thuleweg kam, war Tom mit Dagmar und anderen im Stress! Der Raum war voller Starter-Beutel und es wurde gepackt und geräumt. Für mich war kein Job frei, also habe ich mit der Hündin Ella Freundschaft geschlossen und mir dann einen gemütlichen Abend gemacht. Geschlafen habe ich im Auto.
Jetzt kommt der Toilettenwagen und ich helfe bei Anschluss und Aufbau. Strom, Wasser und Abwasser müssen geregelt werden. Ich höre dem Toilettenwagen-Lieferant aufmerksam zu und lerne so viel wie möglich. Man muss nichts wissen, aber wenn man einfach lang genug lebt und von allen möglichst viel lernt, bleibt eine Menge Nützliches hängen! Tom ist ungeduldig und wartet auf die Lieferung von einem der Sponsoren, die aber nicht kommt. Also fahren er und ich zuerst einkaufen. Material für die Verpflegungspunkte muss beschafft werden. Er möchte in einen sehr großen Real-Mark um die Spezial-Wünsche zu erfüllen. Vorher gehen wir noch die einfachen Sachen im Lidl kaufen. Wir machen im Lidl sechs große Einkaufswagen gehäuft voll! Das erinnert mich stark an Idomeni. Nur dass ich damals selber der Organisator war und die gespendeten Gelder unserer Freunde ausgeben wollte und musste. Hier ist Tom der Boss und ich nur die Unterstützung. Aber er bindet mich in alles ein und wir beraten gemeinsam, was wir wo brauchen und wie viel. Dass er mich so um Rat fragt, verunsichert mich ein bisschen, denn ich liebe klare Hierarchie, solange ich der Führung vertraue und hätte gar Problem mit direkten Anweisungen. Aber das wäre nicht Tom. Er ist ein vorsichtiger, diplomatischer, pädagogischer Führer. Als wir im Lidl alles fertig und den Inhalt der sechs Einkaufwagen in den gemieteten Transporter verladen haben, fahren wir weiter zum Real-Mark. Der ist leider grade im Ausverkauf, so dass wir außer leerer Regale nichts sehen und kaum etwas von dem, was wir brauchen, kaufen können. Also fahren wir nach Ossendorf in einen Großhandel, wo wir abermals mehrere Einkaufwagen voll stapeln. Tom hat Sorge, dass es zu wenig oder nicht gut genug ist. Er will alles richtig machen. Der Köln-Pfad ist sein Baby sein Herzblut hängt hier dran! Und er will, dass sein Baby allen gefällt, alle zufrieden sind, alle alles bekommen. Als wir spät Abends wieder am Thuleweg ankommen, ist Tom beunruhigt, denn der Laster mit den Getränken ist immer noch nicht da. Da für die Nacht Regen und Gewitter angekündigt ist, verpacke ich die Musik-Anlage noch Wetterfest. Sieht fancy aus! Dann kommt endlich der Getränke-LKW. Wir packen und rangieren, dann steht alles. Der Kühl-Anhänger braucht allerdings mehr Strom, als die Sicherung hält und wir legen einen Duschraum dunkel. Dann finden wir in einem anderen Raum eine Steckdose, die hält, auch wenn der Kabelweg länger ist und ich dafür kriechen muss. Am Ende läuft der Kühl-Anhänger und ich gehe müde und zufrieden im Auto schlafen. Nur der Klang der Musik ist immer noch mies, aber das kann ich morgen erledigen.
Dann starten um 08:00 die Wanderer auf ihre 171km und werden von Tom mit einer kurzen Ansprache auf ihren Weg geschickt. Wir packen dann die Kisten für die VP's: zwölf mal Tische, Bänke, Kisten, etc, etc. Dabei gilt zu beachten, dass es sechs Große VP's mit Vollversorgung und sechs kleine mit Sparprogramm gibt. Außerdem haben die ersten VP's weniger Teilnehmer, weil hier nur die 171km Wanderer bzw. Läufer durch kommen. VP's die später liegen müssen auch diejenigen versorgen, die z.B. nur 100km oder 75km machen. Und damit das nicht alle bleibt, gibt es auch unterschiedliche Zeiten: am VP3 (Pesch, also mein VP) kommen die Wanderer am Nachmittag bzw. Abend an. Hier erwarten wir mehr Nachfragen nach Abendessen und richtiger Nahrung. An diesem VP kommen die Läufer 12h später mit dem ersten Morgenlicht durch und haben ganz andere Bedürfnisse. All das gilt es für jeden VP zu überdenken und entsprechend ein zu richten. Während wir die Sachen schleppen und verteilen, fängt es schon mal richtig an zu schütten! Wir denken an die Wanderer, die jetzt gleich nach dem Start schon mal so richtig durchgeweicht werden. Und wir selber werden beim packen auch total nass: kein Regenschirm, kein Unterstellen, kein Schutz: der Transporter muss fertig gemacht werden, denn die Fahrt zu VP1 und VP2 muss so schnell wie möglich raus! Kaum ist der Transporter ab gefahren, mache ich mich auf den Weg nach Pesch, denn um 16:00 muss mein VP hier fertig sein. Ich packe zu hause noch den Dachträger auf's Auto, die Bierzelt-Garnitur oben drauf und Strom, Musik-Anlage, Wasser, Kocher, etc, etc innen rein. Um 15:30 komme ich am Platz an und sehe schon Wanderer dort stehen! Was ist das? Ich bin doch sogar noch zu früh? Aber das ist dann wie es ist: mein Auftrag war, den VP ab 16:00 zu betreiben und die Info an die Wanderer ist, dass der VP um 16:00 auf macht. Wer schneller ist, marschiert auf eigene Rechnung. Mein Freund Markus, mit dem ich diesen VP sonst immer gemacht habe, kann heute Nachmittag leider nicht. Aber ich bin nicht allein, denn eines der Nachbars-Kinder unterstützt mich. Ich finde das Stromkabel, was der Anwohner uns wie jedes Jahr freundlich raus legt und baue auf. Auch die Musik läuft, es geht seinen gewohnten Gang am VP wie immer. Läufer kommen, ich mache Flaschen auf und dann passiert es: ich schieße mir einen Kronkorken direkt in's linke Auge. Schmerz und Blut, gar nicht gut! Als ich das Blut sehe ist mir sofort klar: 112! Und ich kann weder den Nachbars-Junge alleine hier am VP lassen noch den VP alleine mit dem Nachbars-Jungen lassen. Also habe ich vier bis sechs Minuten, bis der RTW hier ist. Als erstes: die Eltern meines Helfers informieren: „Ich muss in's Krankenhaus, komm JETZT zum VP am Spielplatz“. Als nächstes Markus anrufen: „Ich falle aus, Du musst übernehmen“. Er sagt zu und wird gleich rüber kommen. Dann Tom informieren: „Ich muss in's Krankenhaus, VP bleibt online“. Der Vater des Nachbars-Jungen ist noch vor dem RTW da und ich kann beruhigt abfahren: alles gesichert, die spontanen Pläne B halten. The Show will go on! Kaum bin ich im Krankenwagen fängt es schon wieder wie aus Eimern an zu regnen. Egal: ich hab jetzt andere Probleme. Glücklicherweise ist nur die Hornhaut am Auge gerissen und nichts schlimmeres. Das Blut kam von einer kleinen Schramme gleich neben dem Auge. Glück gehabt. Ich bekomme ein Rezept und schon bin ich im Taxi zurück zu meinem VP Pesch. Als ich wieder hier bin, ist die Stimmung super: es hat aufgehört zu Schütten und alle sind gut drauf. Dann bauen wir ab, als wir auf der Online-Karte sehen können, dass keine weiteren Wanderer mehr kommen. Feierabend für ein paar Stunden. Um 03:00 geht der Wecker. Das Auto steht vollständig gepackt vor der Haustür und ich fahre mit meinem Sohn zum VP und treffe mich um 03:30 mit Markus. Im ersten Morgengrauen errichten wir den Pavillon und bauen die Tische wieder auf. Außerdem Kaffee kochen und Musik an. Kein Bier vor vier? Alles klar: es ist fünf nach vier, als wir unsere Flaschen aufmachen. Die Wanderer waren teilweise deutlich vor der geplanten Zeit hier, die Läufer kommen in Ruhe. Die Sonne geht auf und wir haben unseren Spaß. Bei den Wanderern kannte ich niemand, aber von den Läufern kenne ich einige und werde oft herzlich begrüßt. Das tut gut, dass ist schön. Einer der letzten Läufer, der bei uns ist, braucht besonders viel Zuspruch. Er weint vor Verzweiflung und Enttäuschung. Seine Worte unter Tränen: „Ich schaffe es doch ehe nicht!“. Ich füttere ihn mit Koffein-Gummis bis er wieder klar kommt. Man kann doch nicht schon nach dem ersten Marathon aufgeben! Der Mann macht weiter. Als niemand mehr im Anmarsch und meine geplante Zeit um ist, packen wir den VP zusammen. In Pesch lade ich meinen Teil der Sachen aus dem Auto und fahre dann weiter zum Thuleweg. Hier ist jetzt der Aufbau für die Party am Sonntag angesagt. Also Tische und Bänke schleppen. Außerdem werde ich gebraucht um den Wasseranschluss des Toilettenwagens ab zu dichten und danach ein Auto des Orgateams ab zu schleppen. Am späten Abend fahre ich zu meinem Schatz, denn die will ich auch noch mal sehen. Sonntag morgen ist für mich als erstes Quäker-Andacht. Das ist mir trotz Köln-Pfad sehr wichtig. Aber gleich danach fahre ich wieder zum Thuleweg. Hier habe ich zwar die Siegerehrung verpasst, aber es gibt noch Essen und Trinken und viele gute Gespräche. Markus ist natürlich auch hier. So viele Teilnehmer, die sich freuen oder enttäuscht sind. So viele, die noch ein Wort mit mir wechseln oder auch einfach nur von ihrem Weg erzählen möchten. So viele Abenteuer, die erlebt worden sind! Am meisten lerne ich von einem professionellen Tontechniker, der mir erklärt, was ich alles beim Aufbau der Musik-Anlage falsch gemacht habe. Ich höre zu und versuche mir alles zu merken, damit ich die Kabel beim nächsten mal besser verlege, die Anlage besser aufstelle, die Boxen besser verbinde, etc. etc. Ein paar vom Orgateam machen eine zwanglose Feedback-Runde. Was war gut, was können wir beim nächsten mal besser machen. Und wir haben viele guten Ideen! Dann fahre ich nach hause. Müde und glücklich. Fünf Tage Party waren für mich genug. Tom bleibt noch zwei Tage zum Abbau hier. Wahnsinn, der Typ. Es ist nicht alles perfekt geplant und organisiert und mit viel mehr Leuten und Geld und Zeit könnte man sicher…. Aus dem Verfügbaren hat Tom sicher das absolut Bestmögliche gemacht. Ich kenne niemand, der es besser gekonnt hätte, mehr Kraft und Herzblut gegeben hätte und geeigneter wäre. zurück zur Startseite |