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Ann Trason - It hurts up to a point and then it doesn't get any worse

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2022 - Kleeblatt

Geschrieben April 2022


Ich hatte vergessen, wie lang die 100km sind. Mein letzter war 2018: der Stunt100. In der Erinnerung ist mir davon nur noch das goldene Lachen in meinem Herzen, pures Glück und Freude. Danach kam 2019 mit vielen schönen kleinen Marathönchen, 2020 mit Meniskus-Op und dann 2021 mit den Impf-Nebenwirkungen. Lange her, der letzte 100km Lauf. Ich hatte nicht gedacht, dass ich das noch mal können würde.
Deshalb bin ich mit vorsichtigen Erwartungen in das Pescher-Kleeblatt 2022 gestartet. Die erste Runde, 40km rund um Köln: ein Muss. Die zweite Runde, 27km rund um Pulheim: will ich machen. Wenn die zweite Runde geht, dann bin ich zufrieden. Die dritte Runde: hoffentlich, ein Wunschtraum, die Kür. Wenn die nicht mehr geht, macht das gar nichts. Ich muss keine 100km mehr laufen, das habe ich oft genug gemacht.

Um sechs starten Monika, Yvonne, Andreas, Dirk, Pierre, Tom, Udo und ich zusammen in das sechste Pescher-Kleeblatt-100. Meine Tochter ist auf dem Rad dabei. Es ist 5°C und die Dämmerung beginnt grade erst, aber die Radwege sind breit und beleuchtet: alles ist gut.
Wir laufen, wir plaudern, wir sind zusammen und meine Tochter ist mit dabei. So, genau so habe ich mir das gewünscht. So habe ich mir das in den letzten Wochen vorgestellt. Genau dieses Bild hatte ich so vor Augen. Traumhaft.
Ich habe keine Schmerzen und meine Tochter…. Hab ich das schon geschrieben? Ok, bin halt stolzer Vater.

Bis zum Rhein brauche ich zum warm werden. Dann geht es runter nach Süden. Wir sind alle gut unterwegs, jedenfalls sehe ich noch bei niemandem Schmerzen und ich freue mich, dass Tom dieses Jahr länger mit laufen möchte.
Letztes Jahr hat er bei km15 aufgehört.
So bei Kilometer 25 schwächeln dann aber wie auf Kommando Udo, Dirk und auch Tom. Tom verlässt die Gruppe und wandert, während Dirk und Udo noch bis zum Ende der ersten Runde mit traben.
Leider steigt auch meine Tochter aus, so dass wir keinen Rad-Support mehr haben. Ich hoffe, dass sie nächstes Jahr mit dem Auto supporten kann.

Nach der ersten Pause kommt die 27km Runde um Pulheim: lange Graden, stramm gegen den Wind, der mit Windstärke vier bläst. In Böen sollen es bis Windstärke sechs sein. Glücklicherweise bleiben wir in einer Sonnen-Blase. Rundrum sehen wir kräftige Regenschauer aus den Wolken fallen; wir bleiben trocken.
Und ab Mansteden bei km 58 „dreht die Strecke bei“, um hier einen Seemanns-Ausdruck zu verwenden, und wir traben mit lockerem Rückenwind bergab. Einmal bekommen wir eine Hand voll Hagelkörner, die der Wind verweht hat, aber mehr auch nicht. Als wir nach Pesch rein kommen, sehen wir große Pfützen und ein paar abgeknickte Äste: hier hat es, kurz vor unserem Eintreffen, ordentlich geschüttet.

Jetzt habe ich mein Ziel erreicht: 67km, ein satter Ultra. Die Knie machen noch mit und auch sonst geht es mir gut. Also gibt es gar keinen Grund für mich, es bei 67 zu belassen. Weiter geht’s.
Außerdem ist ab jetzt Patrick auf dem Rad mit dabei. Zwar nur zur Begleitung und ohne Packtaschen, also nicht als „Service-Truck“ wie meine Tochter, aber es ist schön, einen neuen Gesprächspartner dabei zu haben. Auf dem ersten Teil dieser Runde bremst uns Monika: ihr war der Anfang heute morgen zu schnell und jetzt braucht sie Schonung. Andreas zieht ehr vorne weg und Yvonne läuft so wie so in einer anderen Liga. Nein: sie springt, lacht und tanzt.
Pierre und ich begleiten Monika in der Nachhut, wobei immer klarer wird, dass ich selbst der eigentliche Bremser bin. Lang, die Kilometer sind lang. War das hier schon immer so weit? Ab der Rheinbrücke noch immer ewige 10km. Dazu kommt, dass die Schuhe, die ich trage, mit jedem gelaufenen Kilometer weiter nach innen abknicken. Offensichtlich sind sie außen deutlich härter als innen und meine Fußgelenke schmerzen jetzt, nach gut über 80km sogar mehr als meine Knie.

Bei Km 90 steht Susanne mit dem Auto an der Strecke! Sie wollte unbedingt dazu kommen und uns einmal anfeuern und sie hätte sich keinen besseren Platz dafür aussuchen können! Cola! Zucker! Genau das, was ich genau hier brauche. Pure Lebensenergie. Vielleicht liegt es aber auch einfach an ihrem Strahlen, an ihrer eigenen Lebensenergie, die sie uns spendet, dass ich ab hier wieder mehr laufen als wandern kann. Danke!

Und dann sind wir wieder in Pesch und machen uns für den Endspurt fertig. Ein stauender Nachbar fragt uns nach dem Woher und Wohin. „Nur noch fünf Kilometer“, sage ich, „dann haben wir die 100 voll“. An einem Tag? Laufen? Er und seine Familie sind fassungslos. Ich eigentlich auch.
Das heute wird tatsächlich mein 16.ter Lauf über 100km, davon drei mal 100Meilen und einmal sogar die 230km der TorTour de Ruhr. Eigentlich sollte ich doch wissen, was kommt? Aber ich bin immer noch verwundert und erstaunt, kann es erst auf den letzten Kilometern glauben, dass ich es wirklich noch einmal schaffe. Und es tut gar nicht so weh. Da habe ich schon viel schlimmeres überstanden.
Und dann ist es soweit: müde und ein bisschen verkatert kommen wir zum letzten mal zusammen an der Garage an. Fertig. Geschafft!

Heute, am Montag danach, bin ich immer noch ganz tief erschöpft. Und ein bissen steif. Aber die Erschöpfung geht, die Freude bleibt.



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