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2018 - Hollenlauf
Geschrieben Juli 2018
In drei Wochen fahre ich zum Stunt100: das wird hart und bitter. Ich habe keine Ahnung, ob ich das kann. Das werden dann 100 ganz harte Meilen, viele davon in der Nacht, und doppelt so viel Höhenmeter wie heute. DAS wird die wahre Herausforderung. Heuer ist nur ein toller Trainingslauf, Spaß und Freude. Ab zum Start, noch ein paar Grüße und los. Das Wetter ist wunderbar: noch morgendlich kühl aber mit dem festen Versprechen auf einen sau-geilen Tag. Ich trabe locker, aber engagiert. Dass ich den Hollenlauf heute finishen kann ist klar, keine Frage. Aber ich würde gerne unter 13h bleiben, je weiter desto besser. Also nicht trödeln sondern immer mit Druck auf den Sohlen. Die Strecke ist perfekt markiert und ich laufe ohne Navi: leicht und locker. Außerdem sind alle paar Km Verpflegungsstellen, so dass ich auch keinen Trinkrucksack und noch nicht mal eine Flasche dabei habe. Wunderbar. Ruckzuck ist die erste Schleife um und wir gehen auf die eigentliche Strecke. Beim Hollenlauf gibt es eine kleine Einführungsrunde (ca. 10km) und danach eine Wendepunkt-Strecke: man kann sich jederzeit entscheiden, ob man 48, 83 oder 101km laufen möchte, je nach dem wo man wenden will. Aber ich habe da gar keine Zweifel: heute werde ich, wie 2008, über den Hundsberg, den KahlenAsten bis zum Rhein-Wesertrum rennen und die die 101 voll machen. Ab da für. Herrliche Trails wechseln mit schönsten Wanderwegen. Die Strecke ist wirklich wunderbar! Es ist genau der perfekte Tag zwischen noch Frühling und schon Sommer. Die Sonne brennt heiß. Es ist doch anstrengend. Aber ich will unter die 13h. Uff. Ich bleibe dran. Die Verpflegungspunkte sind immer super. Bestens ausgestattet, schön gelegen, nette Leute: toll. Aber die Kilometer sind lang, sehr lang. Kurz nach der Hälfte sitze ich durstig und müde in einem Zelt. Hier ist der Wendepunkt für die 83km-Läufer. Die Gruppe, mit der ich bis hier unterwegs war, wird hier umdrehen. Und ich will weiter. Muss ja. 101. Ehrensache. Ich gebe doch bei so einer Kleinigkeit nicht auf und kürze auf 83km ab, wenn ich 101km laufen will. Weiter. Die Sonne brennt und es wird einsam und noch anstrengender. Aber irgendwann kommt der ersehnte Wendepunkt. Ich sitze mit ein paar andere Raidern im Schatten des VP und wir hadern mit uns. Es ist noch soooo weit. Und es ist so heiß. Ich habe Durst, aber mein Bauch ist irgendwie schon voll mit Wasser. Ich will mich an den VPs nicht so lange aufhalten, kann aber in der kurzen Zeit nicht so viel trinken, wie ich brauche. Ich wäre doch besser mit Flasche unterwegs. Außerdem habe ich Hunger. Ich hab zwar heute morgen fünf Gels eingepackt, aber die bewirken auch keine Wunder, kleben und irgendwie habe ich auch keine Lust mehr auf das süße Zeug. Ich will duschen, essen und nach hause. Egal: jetzt muss ich erst mal zurück nach Bödefeld: ein satter Marathon. Das wird schon. Einsame Wanderwege, die sich langsam füllen. Ich überhole jetzt immer mehr Wanderer, die die 101km auch bald voll haben. Und ich bin immer noch noch auf Kurs, unter meinen 13h zu bleiben. Obwohl ich jetzt echt langsam schwach werde. Noch mal über den Kahlen-Asten und dann den brutalen Skihang runter. Aua. Meine Füße! Wie bin ich hier heute morgen hier so locker hoch gekommen? Weiter. Vor VP Nasse Wiese, etwa bei KM 92: Saft alle. Ich habe HUNGER! Ich bettele eine Wandergruppe nach Essen an und bekomme zwei staubtrockene Riegel, die mir überhaupt nicht schmecken. Ich wandere langsam. Ich setze mich. Gehe weiter. Und bin am Ende. Ich muss mich auf den Boden legen und gebe innerlich auf. Irgenwas ist grade kaputt gegangen. Zerbrochen. Ich könnte heulen. Habe aber Schüttelfrost. Ich liege also stöhnend und mitleiderregend auf dem Waldboden und jammere. Mann, was bin ich für ein Looooser! Kann aber grade nicht anders. Die Wanderer und Läufer, die ich in den letzten Stunden überholt habe, erreichen mich und ALLE, wirklich ausnahmslos ALLE bleiben stehen, bleiben bei mir. Alle bieten Hilfe an, decken mich mit ihren Jacken zu und reichen mir Essen und Trinken. Ich kann grade nichts zu mir nehmen, bin aber für die Gesellschaft sehr dankbar. Trotzdem schicke ich die Helfenden weiter: denkt an Euer eigenes Finisch! Denk an DEINE Zielzeit. Bald sind die ersten Helfer vom Veranstaltungsteam bei mir und wollen mich auf dem Quad aus dem Wald raus fahren. Das wäre zwar cool, ist aber nicht möglich, weil ich nicht sitzen kann. Ein paar Minuten später kommen welche mit dem Traktor: da könnte ich im Anhänger liegen. Das geht auch nicht. Aber dann kommt jemand mit einem VW-Caddy, wo ich drin sitzen kann und in die Rettungsdecke eingewickelt festgeschnallt werde. Während der Fahrt erhole ich mich zusehends. Essen, trinken, ausruhen. Hilf. Perfekt wäre gewesen, wenn ich einfach 1h im Wald hätte liegen bleiben können und dort versorgt worden wäre. So TTdR-mäßig. Aber das steht beim Hollenlauf natürlich nicht zur Wahl. Also Abbruch, DNF, Versagt, Schande. Ich mache das beste daraus und lächele. Kann ja mal passieren. Ich liege im Zielbereich in der Sanni-Halle. Ein gewöhnlicher Klassenraum einer Grundschule ist zum Lazarett umgebaut worden. Der Sani checkt Blutdruck, Puls, Sauerstoff und Blutzucker: alles schwach aber ok. Ich darf duschen gehen. Das Schlimmste ist, den anderen Läufern, Wanderern und vor allem: Finishern zu begegnen. Ihnen ins Gesicht zu schauen und ihr Mitleid zu ertragen, ihre Aufmunterung hin zu nehmen. Es tut gut aber es tut auch weh. Alle sind so nett zu mir, obwohl ich mich grade wie ein verachtenswerter Versager fühle. Aber ich kann der Versuchung widerstehen mich zu bestrafen. Es ist nicht 2014! Ich weiß genau, warum ich heute hier nicht das Ziel erreicht habe. Ich wollte das Limit und habe es gefunden. Ich wollte unter 13h bleiben und habe Temperatur und eigene Fitness außer Acht gelassen. Ich wollte heute unter 13h bleiben und habe mir zu wenig Zeit für Essen und Trinken genommen, bin zu hart gelaufen und habe überzockt. Fazit: Dumm gelaufen. zurück zur Startseite |