www.FlorianBechtel.de

Willkommen auf meiner Home-Page

Laufberichte Reiseberichte Impressum Datenschutz
Ruud Jakobs - Wer nicht startet, kommt auch nicht ins Ziel

Du sieht grade: /REPORTS/2016seilersee.htm

2016 - 24h vom Seilersee

Geschrieben Septermber 2016
gelaufen April 2016

Ein letztes Training. Ich bin müde. Ich will unbedingt die TorTourdeRuhr finishen, aber ich weiß, wie viel ich dafür trainieren muss. Vor dem UTMB hatte ich einen Schnitt von 41km/Woche in den 12Monaten davor, 64Wochen-Km in den letzten drei Monaten und 55Wochen-km in den letzten sechs Wochen. Es gibt nicht viele Menschen, die beide Läufe geschafft haben, aber die sagen, die TTdR wäre schwerer. Also muss ich auf mindestens 60/70/80 kommen, habe ich mir überlegt. Dafür müssen viele lange Läufe mit vielen langen Kilometern her. Aber ich bin müde. Trainingsmüde. Laufmüde. Ich will es jetzt endlich geschafft haben, endlich genug trainiert haben, das Ding rocken und dann ausruhen! Ich bin müde.

Also fahre ich drei Wochen vor der TorTourdeRuhr zum Abschluss-Training zum Seilersee. Außerdem können mich hier Susanne Alexi und mein Neffe Elias zusammen supporten. Die beiden werden auf der TTdR meine Crew sein und ich hoffe, dass sie nicht nur in ihren jeweiligen Stärken super sind, sondern vor allem als meine Crew, als Team, gut sind.

Susanne hat schon Zelt und alles fertig aufgebaut, als ich mit meinem Schatz am See angekommen bin. Wir checken kurz die Lage und schon stehe ich unter der Brücke: start. Ganz entspannt drehe ich die ersten Runden, alles läuft gut. Ich erinnere mich mit Schrecken an die Desaster von Troisdorf (meine beiden Versuche einen 6h-Lauf zu meistern) und argh, würg, das Trauerspiel von meinem ersten 24er. Heute soll das, muss das besser werden. Aber Stadtoldendorf ist lange her. Seit dem bin ich viel älter, zäher, härter, verbissener, unbeirrbarer, eiserner und starrsinniger geworden.



Ich trabe um den Kurs, immer weiter. Ich ernähre mich ausschließlich an meinem Stand und die Stunden verrinnen. Mein Plan sind mindestens 100km und ich habe vor, die so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Bloß nicht wieder diese Ewigkeiten auf dem Kurs! Wenn ich die 100 voll habe und noch bei Kräften bin, sehe ich, was noch geht. Damit ich mich nicht wieder verpissen kann, wie in Stadtoldendorf, ist mein Schatz mit meinem Auto zurück nach Köln gefahren: Rückzug unmöglich.


Am Anfang ist viel Leben auf der Strecke, denn parallel laufen auch viele Kinder einen Sponsorenlauf oder so. Die Musik spielt, Eltern und Geschwister sind dabei und das Laufen macht sogar Spaß. Immer weiter, Runde um Runde.
Dann wird es dunkel und die unglaubliche Beleuchtung, die das Orgateam gezaubert hat wird eingeschaltet: märchenhaft! Hinreißend! Bezaubernd! Immer wieder staune ich, wenn ich an dieser oder jener wunderschönen Stelle vorbei komme.


Besonders gefällt mir, dass ich im Start-Bereich immer sehen kann, wie viele KM und Runden ich schon habe. Das macht Mut, das hilft mir. Irgendwann sind die 100km voll: in neuer persönlicher Bestzeit. Tatsächlich habe ich jetzt das dritte Wochenende in Reihe meine 100km-PB verbessert. Kein Wunder, wenn ich mich etwas ermüdet fühle.
Bei aller Eile, die ich heute hatte, bin ich doch nicht ans Limit gegangen. Das hier ist nur Training, kein Wettkampf. Ich mach das hier nur zur Übung.

Also kurve ich nach den 100km noch ein bisschen entspannt um den Kurs.
Aber die Luft ist raus, der Wille ist weg.
Aber Jens hat gesagt, dass nur Leute, die auf 24h locker mindestens 160km schaffen eine Chance auf ein Finish bei der TTdR haben.
Aber ich bin müde.
Wie will ich die TorTour schaffen, 230!! Kilometer, wenn ich hier nach 100 schon die Segel streiche?
Mein Fuß tut weh, ich habe keine Lust mehr.
Du schaffst dass alles nicht, du kannst keine 24er, du wirst bei der TorTour versagen, du hättest dich nie anmelden sollen, wozu der ganze Wahnsinn, bringt doch alles nichts, du hast es einfach nicht drauf. Gift in meinem Kopf.

Schlafen, ich muss schlafen. Ich verstecke mich in der Umkleidekabine, damit Susanne und Elias mich nicht finden. Ich will mich selber nicht finden. Ich schäme mich für meine Schwäche. Von wegen eisern.


Die Sonne geht auf, es geht weiter, aber nicht mehr für mich. Ich verkünde meinen Ausstieg und wir bauen das Zelt ab. Ich bin total erleichtert: das ewige Training ist vorbei. Endlich. Jetzt noch die TorTour und dann werde ich laaange Pause machen!



zurück zur Startseite