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2015 Laufen in der Sturmnacht
Geschrieben Jannuar 2015
Ich habe ein neues Spielzeug, ein Garmin eTrex 20, so ein GPS-Navi zum rumtragen. Ich kann zwar gut mit Karte und Kompass umgehen, und mache das auch gerne, aber ich liebe auch neue Spielzeuge. Also wollte ich mir GPS-Tracks zum mitnehmen aufzeichnen. Und weil ich Stalker hasse, bleibt mein Handy aus oder gleich zu hause. Es musste also ein Offline-Gerät sein. "Wo bin ich trainingsmäßig?" führt unmittelbar zu "Wie stark, hart, männlich, unsterblich, etc. bin ich?" und das lässt sich zusammen fassen zu "Wer bin ich?" All diese Fragen lassen sich an einem Freitag Nachmittag im Januar klären: kann ich die Strecke so schaffen? Ich komme an zwei kleinen Seen vorbei und laufe dann über einen Campingplatz. Es gibt eine Sonnenterasse und Schilder für Kaffee, Waffeln und Eis. Jetzt herrschen hier Regen, Dunkelheit und Einsamkeit. Mein Navi sagt noch 400m bis zum Wendepunkt und ich freue mich, als am Ende des Campingplatzes ein Tor mit Stacheldraht den Weiterweg am Seeufer versperrt. Ich hasse es, wenn privater Landbesitz einen schönen Weg unpassierbar macht und überlege, an's Tor zu pinkeln. Aber da ich nichts zu trinken dabei habe, muss ich grade nicht. Also zurück und um den Plaz rum durch ein Dorf, zwei Kilometer Umweg. Dann komme ich doch noch an meinem Wendepunkt an, eine völlig unspektakuläre Kreuzung in einem eben solchen Dorf. Der Sturm, der mir im Wald gar nicht so stark vorkam, hat inzwischen noch mal zugelegt und bläst heftig. Ich hoffe auf eine Bushaltestelle oder einen Unterstand, muss aber mit dem Vordach eines Mehrfamilienhauses vorlieb nehmen. Dann ziehe ich meinen warmen Pulli unter die Regenjacke und esse meinen Riegel. Das gibt neue Kraft und Mut. Dann geht Track, den der Navi mir anzeigt, über kahle Felder. Kein Baum gibt mir Schutz, der Sturm ist inzwischen wirklich ein Sturm, der Regen peitscht so arg, dass ich mein Gesicht mit dem Buff schützen muss. Ich bin eigentlich ein echter Fan von Karte und Kompass, aber ich gebe ehrlich zu, dass in diesem Wetter das Navi die Sache erheblich vereinfacht. Eine Linie mit dem Track und ein Pfeil für mich: das ist idiotensicher. Der Track führt mich unter der Balkantrasse durch, einer alten Bahnlinie, die inzwischen ein Wanderweg ist. Ich kenne diesen Weg: guter, neuer Asphalt, der mit ganz sanften Gefälle nach hause führt. Die Versuchung ist groß, aber ich widerstehe. Von den nächsten Kilometern bekomme ich nicht so viel mit: außer heulendem Orkan und klatschendem Regen weiß ich von nichts. Mein Blick ist nach unten gesenkt um das Gesicht vor dem Sturm zu schützen. Nur den Meter vor meinen Füßen beleuchtet meine Stirnlampe. Meine Füße versinken auf den kleinen Pfaden teilweise knöcheltief im Schlamm, hier hätten sogar die Belgier ihre Freude! Dann erkenne ich das Wiehbachtal und ab jetzt kenne ich die Strecke für die nächsten paar Kilometer. Ich jubele innerlich erleichtert, fühle mich fast zu hause. Endlich wieder vertrauter Boden unter den Füßen! Ich liebe Nacht und Wald und Wind, aber heute habe ich von allem genug gehabt. Hinter Lützenkirchen durch den Bürgerbusch, über die A4 und runter nach Alkenrath: ja, die letzten Kilometer kenne ich. Und ich bin müde, geschafft und durchgefroren, aber ich habe die Antwort auf meine Fragen mal wieder gefunden. Fazit: ich kann's noch, ich bin's noch. Und es hat riesig Spaß gemacht! zurück zur Startseite |