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2015 - Real-Kick
Geschrieben November 2015 Ich komme am Freitag-Abend zu spät zum Briefing, bin gestresst und völlig unentspannt. Der Handy-Empfang ist so schlecht, dass ich nicht mit meinem Schatz telefonieren kann und ich schlafe grotten schlecht, trotz der eigentlich sympathischen Zimmergenossen. Am Samstag morgen bin ich müde, gereizt und übellaunig. Und schlecht trainiert bin ich irgendwie auch. Tolle Vorzeichen für einen 120km-Trail-Run. Immerhin schmeckt das Frühstück im sehr schicken Naturfreundehaus am Laacher See, wo wir übernachtet haben. Der Bus bringt uns dann zum Start nach Moselkern, wo der Real-Kick los geht. Die anderen sind irgendwie total positiv und ich komme mir alt und fehl am Platze vor. Na ja, erst mal los. Ich erreiche also mit, ich sach jetzt mal: „gut durchschnittlicher“ Laune den VP3. Dort treffe ich meine Zimmergenossen wieder und bin eingeladen, mit denen auf die zweite Schleife zu gehen. Es ist jetzt schon dunkel, der Wind hat angeblich stärke acht und fühlt sich auch so an und es regnet deutlich. Prima: 50km einlaufen und dann einmal P-Weg bei Nacht. Wir laufen erst ein bisschen an der Bahn nach Monreal entlang und dann geht’s richtig durch den Wald. Wir werden auf dieser Runde ein richtiges Team: Zimmer 61 rockt das Ding! Wir freuen uns gemeinsam über geschaffte Km und schimpfen gemeinsam über die Widrigkeiten der Strecke. Besonders spektakulär ist der Weg durch die Ruine von Burg Monreal, die sehr groß und unheimlich in der Sturmnacht ist. Eine kleine Episode zwischendurch: wir kommen einen laub-bedeckten Hang zu einer Straße runter. Ich sehe im Lampenlicht eine Stelle, wo die sehr steile Straßenböschung flach ausläuft und will da runter. WUPP und ich stecke bin zur Brust im Laub, das der Wind hier angeweht hat. Ich lache mich kaputt und will Peter warnen, aber der hats schon gesehen, lacht auch und weicht nach links aus, wo er ebenfalls völlig überraschend bis übers Knie im Laub verschwindet. Die Falle ist tatsächlich nicht zu sehen, wo hört der Waldboden auf, wo fängt der Laubhaufen an, Du weißt es erst, wenn Du reinfällst. Nur Georgi, der hinterher hinkt, ist ausreichend gewarnt. Kurz danach sammeln Peter, Georgi und ich den Belgier Robin ein. Er war eigentlich deutlich vor uns, aber der Weg fordert Tribut. Wir bleiben zusammen. Peter ist noch sehr fit und macht Druck nach vorne. Sein Freund Georgi dagegen ist ziemlich fertig und bleibt immer wieder und immer weiter zurück. Peter fühlt sich für die Gruppe und vor allem für Georgi verantwortlich und ist zwischen laufen wollen und bleiben müssen hin und her gerissen. Georgi will eigentlich gar nicht mehr mit. Kurz vor der 13km langen See-Umrundung ging der Track kaum zwei Kilometer vom Naturfreundehaus entfernt vorbei. Georgi wollte aufgeben, ins Bett, schlafen. Aber ich war der Typ mit dem Navi und ohne das Ding hätte er die Pfade zum Haus wahrscheinlich nicht gefunden. Ich war für ihn verantwortlich. Also habe ich ihn mit geschönten Kilometer-Angaben und allen Psycho-Tricks die ich drauf hatte, bei der Stange gehalten. Er sollte sein Finish kriegen! Aber Georgi will eigentlich gar nicht mehr mit. Michael, der Organisator, hat uns gesagt, dass es nicht schlimm ist, wenn wir uns verlaufen. Hauptsache, wie kürzen nicht ab und machen auf keinen Fall weniger als die 120km. Dank zahlreicher Verläufer und Umwege haben wir diese Marke allerdings schon sechs Kilometer vor dem Ziel erreicht und ich lasse Georgi endlich gehen. Hier ist ein Weg, der gerade runter zur Straße führt, die ihn zum Haus bring. Verlaufen unmöglich. Ich lasse ihn in der Gewissheit gehen, dass er sein Shirt verdient hat. Ja, ohne mich hätte er das nicht geschafft: zu wenig Saft im Navi, zu wenig Saft in den Beinen. ABER: ich bin nicht für ihn gelaufen! Er hat jeden Schritt alleine gemacht und sich sein Finish ehrlich verdient. Ich liebe es, andere zu suporten! Es ist 06:30 morgens (21:45 Laufzeit) und im Haus ist es dunkel. Keiner ist wach, es gibt kein Begrüßungskomitee. Robin und ich sind uns völlig einig, dass wir für den Weg zu den Zimmern im ersten Stock den Aufzug nehmen und fahren hoch. Aus irgendeinem Grund finden wir das jetzt wahnsinnig komisch und lachen uns kaputt. Dann tragen wir uns in die Liste, die an der Flurtür hängt ein und ich gehe Duschen und fahre heim: bis Köln ist nicht weit. Fazit: gut, dass ich nicht aufgegeben habe, ich hätte sonst wunderbare Stunden verpasst! |