www.FlorianBechtel.de

Willkommen auf meiner Home-Page

Laufberichte Reiseberichte Impressum Datenschutz
Sarita Earp - I never give up

Du sieht grade: /REPORTS/2015realkick.htm

2015 - Real-Kick

Geschrieben November 2015

Ich komme am Freitag-Abend zu spät zum Briefing, bin gestresst und völlig unentspannt. Der Handy-Empfang ist so schlecht, dass ich nicht mit meinem Schatz telefonieren kann und ich schlafe grotten schlecht, trotz der eigentlich sympathischen Zimmergenossen. Am Samstag morgen bin ich müde, gereizt und übellaunig. Und schlecht trainiert bin ich irgendwie auch. Tolle Vorzeichen für einen 120km-Trail-Run.


 

Immerhin schmeckt das Frühstück im sehr schicken Naturfreundehaus am Laacher See, wo wir übernachtet haben. Der Bus bringt uns dann zum Start nach Moselkern, wo der Real-Kick los geht. Die anderen sind irgendwie total positiv und ich komme mir alt und fehl am Platze vor. Na ja, erst mal los.
Die Strecke verläuft zunächst das Elzbach-Tal hinauf, vorbei an den Burgen Elz und Pyrmont. Ab und zu verlässt der Track die schönen Wanderwege und Trails und läuft mitten durchs Gebüsch, teilweise im Kriechgang. Die anderen, mit denen ich bis hier her unterwegs war, fanden das gar nicht so schlimm, nur ich war ein oller Miespeter.

Das hebt meine Stimmung nicht wirklich und ich beschließe nach der Marathon-Distanz aus zu steigen. Dem entsprechen grimmig erreiche ich den VP2.
Aber das Wetter ist ok und ich bin noch fit, also gehe ich auf die 14km-Schleife, die jetzt folgt und mich wieder zurück zu VP2, der dann VP3 heißt, bringen wird. Hier hat sich der Organisator Michael was schönes ausgedacht: manche Teilnehmer laufen die Runde rechts rum und andere links rum, so dass ich hier einigen der Teilnehmer begegne. Es fängt wie angekündigt an, leicht zu regnen und wird auch immer windiger, aber das macht mir nichts aus. Ich kämpfe mich voran, werde dabei innerlich ruhiger und komme irgendwie im Lauf an.


Wege - Burg Pyrmont - die Positiven
 

Ich erreiche also mit, ich sach jetzt mal: „gut durchschnittlicher“ Laune den VP3. Dort treffe ich meine Zimmergenossen wieder und bin eingeladen, mit denen auf die zweite Schleife zu gehen. Es ist jetzt schon dunkel, der Wind hat angeblich stärke acht und fühlt sich auch so an und es regnet deutlich. Prima: 50km einlaufen und dann einmal P-Weg bei Nacht.

Wir laufen erst ein bisschen an der Bahn nach Monreal entlang und dann geht’s richtig durch den Wald. Wir werden auf dieser Runde ein richtiges Team: Zimmer 61 rockt das Ding! Wir freuen uns gemeinsam über geschaffte Km und schimpfen gemeinsam über die Widrigkeiten der Strecke. Besonders spektakulär ist der Weg durch die Ruine von Burg Monreal, die sehr groß und unheimlich in der Sturmnacht ist.
Völlig befriedigt und glücklich kommen wir bei VP4 (alias VP3, alias VP2) an. Also ich bin jedenfalls voll in meinem Element, aber wir verlieren einen Mann. Er steigt aus.

Zu dritt gehen wir auf den verbleibenden Marathon (plus ein paar Meter). Der Wind heult, die Nacht ist wild, wir sind zusammen: perfekt. Warum war ich heute morgen eigentlich so blöd drauf?
Der VP5 ist nur eine einsame Bank mit ein paar Getränke-Flaschen an einer besonders stürmischen Ecke eines Feldes. Die Cola ist so kalt, dass ich nach dem ersten Schluck einen Magen-Krampf kriege und es bleiben lasse. Sind ja nur noch 20km.


Unterwegs auf Schleife 1 - Einsames Tal - Irgendwo
 

Eine kleine Episode zwischendurch: wir kommen einen laub-bedeckten Hang zu einer Straße runter. Ich sehe im Lampenlicht eine Stelle, wo die sehr steile Straßenböschung flach ausläuft und will da runter. WUPP und ich stecke bin zur Brust im Laub, das der Wind hier angeweht hat. Ich lache mich kaputt und will Peter warnen, aber der hats schon gesehen, lacht auch und weicht nach links aus, wo er ebenfalls völlig überraschend bis übers Knie im Laub verschwindet. Die Falle ist tatsächlich nicht zu sehen, wo hört der Waldboden auf, wo fängt der Laubhaufen an, Du weißt es erst, wenn Du reinfällst. Nur Georgi, der hinterher hinkt, ist ausreichend gewarnt.

Kurz danach sammeln Peter, Georgi und ich den Belgier Robin ein. Er war eigentlich deutlich vor uns, aber der Weg fordert Tribut. Wir bleiben zusammen. Peter ist noch sehr fit und macht Druck nach vorne. Sein Freund Georgi dagegen ist ziemlich fertig und bleibt immer wieder und immer weiter zurück. Peter fühlt sich für die Gruppe und vor allem für Georgi verantwortlich und ist zwischen laufen wollen und bleiben müssen hin und her gerissen.
Da ich inzwischen völlig gelöst und zufrieden bin, ganz mit mir und dem Lauf und der Welt im Reinen, verspreche ich Peter, dass ich auf die Verantwortung für Georgi übernehme. Ich passe auf ihn auf. Peter ist erleichtert, befreit und bald außer Sicht.
Für uns Verbeibende ist Wandertag, bzw. WanderNacht.
Ich bin der Navigator, weil Georgis GPS-Uhr aus und Robins GPS-Teil ungenau und ohne Karte ist. So bringe ich uns langsam, aber unaufhaltsam um den Laacher See herum: der letzte Teil.


Schleife 1  - Schleife 2 - Burg Monreal
 

Georgi will eigentlich gar nicht mehr mit. Kurz vor der 13km langen See-Umrundung ging der Track kaum zwei Kilometer vom Naturfreundehaus entfernt vorbei. Georgi wollte aufgeben, ins Bett, schlafen. Aber ich war der Typ mit dem Navi und ohne das Ding hätte er die Pfade zum Haus wahrscheinlich nicht gefunden. Ich war für ihn verantwortlich. Also habe ich ihn mit geschönten Kilometer-Angaben und allen Psycho-Tricks die ich drauf hatte, bei der Stange gehalten. Er sollte sein Finish kriegen!

Aber Georgi will eigentlich gar nicht mehr mit. Michael, der Organisator, hat uns gesagt, dass es nicht schlimm ist, wenn wir uns verlaufen. Hauptsache, wie kürzen nicht ab und machen auf keinen Fall weniger als die 120km. Dank zahlreicher Verläufer und Umwege haben wir diese Marke allerdings schon sechs Kilometer vor dem Ziel erreicht und ich lasse Georgi endlich gehen. Hier ist ein Weg, der gerade runter zur Straße führt, die ihn zum Haus bring. Verlaufen unmöglich. Ich lasse ihn in der Gewissheit gehen, dass er sein Shirt verdient hat. Ja, ohne mich hätte er das nicht geschafft: zu wenig Saft im Navi, zu wenig Saft in den Beinen. ABER: ich bin nicht für ihn gelaufen! Er hat jeden Schritt alleine gemacht und sich sein Finish ehrlich verdient. Ich liebe es, andere zu suporten!
So beflügelt marschieren Robin und ich dem Ziel entgegen. 6Kmh Wanderschritt bergab und fünf bergauf: yeah! Und Ruck Zuck sind wir am Haus und laufen die letzten Meter gemeinsam. Wunderbar!


Am VP4
 

Es ist 06:30 morgens (21:45 Laufzeit) und im Haus ist es dunkel. Keiner ist wach, es gibt kein Begrüßungskomitee. Robin und ich sind uns völlig einig, dass wir für den Weg zu den Zimmern im ersten Stock den Aufzug nehmen und fahren hoch. Aus irgendeinem Grund finden wir das jetzt wahnsinnig komisch und lachen uns kaputt. Dann tragen wir uns in die Liste, die an der Flurtür hängt ein und ich gehe Duschen und fahre heim: bis Köln ist nicht weit.

Fazit: gut, dass ich nicht aufgegeben habe, ich hätte sonst wunderbare Stunden verpasst!


zurück zur Startseite