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2014 - Versagt beim Stadtlauf Kerpen
Geschrieben April 2014 Ich will die 5km unter 20min schaffen. Seit drei Jahren ist dass mein erklärtes Ziel. Seit drei Jahren arbeite ich darauf hin. Seit drei Jahren träume ich davon. Seit drei Jahren trainiere ich harte Intervalle. Und bin bisher immer gescheitert. Ich konnte mich von 25min im Januar 2010 auf 20:08 im letzten Sommer ran arbeiten: aber ich habe es noch nicht geschafft. In Straberg letzten Sommer war ich so optimistisch und dann hat mir beim Laufen einfach der Biss gefehlt. Ich konnte mich einfach nicht genug schinden, habe nicht hart genug angegriffen. Versagt. 20:08. Zu weich. Danach habe ich erst mal auf lange umgesattelt, neue PB beim Monte Sophia, Silvester-Marathon, Königsforst: alles ganz nett und auch wirklich schöne Läufe: ABER nicht meine 5k<20min! Ich quäle mich also seit vier Monaten wieder besonders hart. Ich trainiere täglich, ich laufe mehrmals pro Woche Intervalle z.B. 10x400m unter 85sek. Ich laufe mind 40km pro Woche mit überwiegend kurzen harten Trainings unter der Woche und einem ruhigen Längeren (10-15km) am Wochenende. Ich will es schaffen! Ich will die 5km < 20min! Gestern bin ich also nach Kerpen zum Stadtlauf gefahren. Laut Ausschreibung ist die Strecke flach und schnell: da will ich dabei sein. Ich bin schneller als je in meinem Leben (beim Bund vor 24 Jahren hatte ich nach einem Jahr noch Mühe, die 5km unter den verlangten 23min zu schaffen). Ich habe im Auto immer wieder Vangelis, "Conquest of Paradise" gehört: der Sound des UTMB. Ich habe mich an meine Erfolge erinnert, mir immer und immer wieder das Ankommen mit der Uhr auf 19:xx vor gestellt und mich ganz positiv motiviert. Ich habe pünktlich nach gemeldet. Ich war physisch und psychisch optimal vorbereitet. Das Wetter war perfekt (18°C, kaum Wind, leicht bewölkt). Die Orga ist super und, ja: die Strecke ist wirklich flach und schnell und absolut bestzeiten-geeignet! So, genau so, kann man die PB schaffen! Ich stehe am Start in der zweiten Reihe, da in den Vorjahren immer die ersten 10 unter den 20min geblieben sind. Ich bin gut warm gemacht und in perfekter Race-Condition. Countdown, Start. Ich komme super weg, vor mir setzt sich sofort eine Gruppe von ganz schnellen ab, die dem Führungsfahrzeug folgen. Ich lasse sie ohne Bedauern ziehen, mache mein eigenes Tempo. Es läuft super, ich fühle mich blendend. Kurz hinter der ersten Kurve merke ich aber, dass ich jetzt ganz allein bin! Die Spitze ist außer Sichtweite und niemand ist bei mir. Ich blicke mich in der nächsten Biegung um und sehe, dass das Feld mir mit gut 30m Abstand folgt. Tatsächlich bekomme ich einiges an Applaus, wenn ich mich den wenigen Zuschauern nähere. Aber wo ist die Strecke? Wo geht's lang? Ja, da vorne geht's rein. Ich sehe es spät, aber ich sehe es. Ich spüre die Anstrengung, ich laufe sehr hart. Hinter mir kommen sofort zwei andere Läufer ran, die ich gerne vorbei lasse. Kein Kampfgeist heute. Ich habe das Gefühl, dass ich hier vorne nicht hin gehöre, als würde ich das Feld aufhalten. Ich versuche in meinem Kopf wieder Vangelis zu hören, aber ich kann die Euphorie nicht spüren. Nur Anstrengung. Die Strecke besteht aus zwei Runden a 2,5km und ich habe die erste Runde gleich geschafft. Ich fühle mich unglaublich erschöpft, obwohl mir nichts weh tut. Da ist der Zielbogen, da ist die Uhr. Oh, warum kann der Scheiß nicht jetzt schon vorbei sein? Die Zeit ist 09:45: super! Perfekte Zwischenzeit. Aber ich weiß, dass ich die zweite Hälfte niemals in der gleichen Zeit schaffen kann. Ich weiß, dass ich wieder über 20min brauchen werde. Es hat alles keinen Sinn: egal wie ich mich quäle, ich kann nicht unter die 20min kommen. Es tut nur jetzt weh. Und wenn ich heute Abend sehnsüchtig auf die Ergebnisse warte, werde ich wieder nur die 20 bekommen. Alles ist vergeblich. Ich laufe 20 Schritte hinter dem Zielbogen an die Seite und nehme meine Startnummer ab. Ich zerknülle sie ganz klein in meiner Hand und verstecke sie, damit sie niemand sehen kann. Ich lächele und tue so, als würde ich mich grade auf den 10km-Lauf vorbereiten, der nachher startet. Hoffentlich merkt niemand, was für ein Versager ich bin. Lächeln. Ich nehme meinen Rucksack und schlendere gelassen zu meinem Fahrrad. Nur Haltung bewahren. Jetzt nicht auch noch eine Szene machen. Ich kann die Schande nicht aushalten. Abfahren, weg hier. Ich fahre langsam, ganz langsam durch den Wald. Ich will nirgendwo ankommen. Ich will nirgendwo sein. Ich will vor allem nicht ich selber sein. Versagt. Wieder versagt. Wie immer versagt. Ich hasse mich. Ich schäme mich. Ich möchte mich jetzt einfach in Luft auflösen. Strafe. In meinem Kopf sind seltsame Gedanken: "ich mache so lange Diät, bis ich die Zeit schaffe!" Ich weigere mich, mir den Pullover über zu ziehen, obwohl ich auf dem Rad schon zittere. Ich hasse mich. Aber ich kann auch vergeben. Sogar mir selber, wenn es sein muss. Ich trinke einen Kaffee mit Markus, dem ich einfach nicht erzählen kann, dass ich grade bei einem 5km-Lauf nach der Hälfte auf gegeben habe. Ich kann das nicht aussprechen. Aber es ist gut, ihn zu sehen. Ich gehe in die Sauna, ich esse, ich suche im Web nach dem nächsten 5er in der Nähe. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde niemals aufgeben. Ich werde es irgendwann schaffen. Fazit: ich habe im Kopf versagt. Training, Strecke, Wetter, Orga, etc. waren perfekt: ich habe im Kopf versagt. Als wäre ein Seil gerissen. Ich brauch wieder das Mantra, mit dem ich mich beim Stunt100 so beinhart an die Strecke gekettet habe. Das hat heute gefehlt.
Und beim nächsten Lauf brauche ich Unterstützung an der Strecke, die mich anfeuern, wenn ich an mir zweifele. Die an mich glauben, wenn ich es nicht tue. Dann wird es klappen. Nächsten Samstag!
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