2007 - Rheinsteig von Rengsdorf bis Braubach
Geschrieben Juli 2007
Diesmal war ich also alleine. Es ist ein trüber, verregneter Donnerstag morgen und ich habe Urlaub. Und vor allem: heute will ich den nächsten Rheinsteig-Teil laufen. Und so sitze ich jetzt an diesem trüben Donnerstag in der S-Bahn, zusammen mit den leeren Gesichtern derjenigen die jetzt zur Arbeit müssen. Frühschichtler und einige extra fleißige Manager. Und dazwischen ich, im Laufdress, mit Trinkrucksack und Funktions-Jacke wie ein grellbunter Papagei in einer Krähenschar. Ich komme mir blöd vor.
Die S-Bahn wird zum Zug und der Zug zum Bus, bis ich in Rengsdorf im strömenden Regen aussteige. Meine Stimmung ist so knapp über Null und passt zu diesem grauen Morgen. Es ist gegen 10:20 Uhr. Egal, ich trabe erst mal los.
In den Wäldern hängen die Nebel und es regnet, gießt, schüttet, Nieselt, tropft, fisselt, pladdert und tröpfelt. Bei einem Wetter wie diesem ist es kein Wunder, daß es im Deutschen so viele Vokabeln für Wasser von oben gibt. Von Aussicht keine Spur, der Weg bleibt weitgehend im Wald verborgen. Durch das tagelange Sauwetter hängen oftmals die Brennesseln quer über den Pfad, der zu allem überfluss auch häufig total verschlammt ist. An so einem Weg hätten sogar die Belgier ihre Freude. Höhenmeter-Mäßig ist hier noch alles im grünen Bereich, mir scheint es sogar überwiegend bergab zu gehen. Vielleicht habe ich durch die vergangenen zwei Etappen aber auch einfach mehr Berg-Training. Jedenfalls ist das Laufen leicht, auch wenn der Himmel schwer ist.
Weil ich alleine unterwegs bin, muß ich mich wesentlich mehr auf den Weg konzentrieren, als mit Markus und Markus. Ich scanne jeden Baum und jeden Pfahl nach dem vertrauten blauen Schild. Wann immer eine längere Pause kommt, werde ich unsicher. Echte Verläufer kann ich vermeiden, am ganzen Tag werden es kaum mehr als 500 falsche Meter geworden sein.
Auf der anderen Seite bin ich so alleine aber auch viel mehr bei mir, höre in mich hinein und freue mich am Spiel meiner Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke. An anderen Stellen wiederum leide ich aber auch mehr, diskutiere mit mir selber die große Warum-Frage und mögliche Ausstiegs-Punkte. Vallendar hat einen Bahnhof…Aber bis Koblenz muß doch heute gehen! Aber da könnte ich aufhören…! Etc. etc. Tröstlich ist, daß die Km bis Ehrenbreitstein, oberhalb von Koblenz, stetig abnehmen. Aber der Regen nagt an meinem Willen, meine Finger sind schon ganz schrumplig. Meine tolle Funktions-Regenjacke ist zwar 100% Wasserdicht, dazu Atmungskativ und Windabweisend, aber in meinem Rucksack, weil es fast 20°C sind. Das geniale Funktions-T-Shirt fühlt sich bestimmt auch ganz trocken an, nur das Wasser auf meiner Haut ist irgendwie nass. Und die Schuhe sind ganz sicher auch nur deshalb voll Wasser, weil meine Shorts (Funktions-Shorts, habe ich das erwähnt?) das H2O die Beine runter laufen lässt, wo es in meinen Super-Socken versickert. Was nützt einem der ganze Ausrüstungs-Unfug bei so einem Tauchkurs?
Nach einem endlosen Aufstieg, den ich mich wie immer hoch futtere, bin ich endlich an der Festung angekommen. Zu allem überfluss wollen die auch noch gut 2€ Eintritt von mir. Ok, wenn ich schon zahlen muß, dann will ich auch was davon haben, und schaue mich oben in Ruhe um. Auch einen heißen Kaffee gönne ich mir an der Theke im Restaurant. In Sachen Beschilderung ist auf Ehrenbreitstein übrigens Vorsicht geboten: statt der schicken blauen Rheinsteig Schilder ist sind hier nur kleine Schwarze „R“-zeichen angebracht.
Der Regen hat aufgehört, einfach so. Sonne scheint zwar keine, aber immerhin bleibt es ab jetzt trocken. Und so vergesse ich meine kleine Schwäche von vorhin und beschließe bis Lahnstein weiter zu laufen. Laut meinem Plan sollten das gute 13km sein, aber so ganz kann daß nicht hinkommen. An einer Stelle steht ein Schild mit Km-Angaben: 13,6km bis Lahnstein und 6,0km bis Koblenz, wo ich grade herkomme.
Auch gefühlsmässig sind es deutlich mehr als 13km. Vor allem weil der Weg jetzt mal so richtig Höhenmeter macht. Durch die Hornbien-Klamm?, bis hoch zum Aussichtsturm Lichterkopf, runter durch die Rupertsklamm…Irgendwann ist Lahnstein erreicht und meine Laune wird jetzt zum ersten mal an diesem Tag richtig gut.
Auch meine Lauflust stellt sich langsam ein. So guter Stimmung, beschliesse ich die nächsten acht km bis Braubauch auch gleich noch unter die Sohlen zu nehmen. Und die haben sich richtig gewaschen: steil, richtig steil und mit tollen Aussichten! Unter anderem auf die bildschöne Marksburg. Dann führt der Rheinsteig bis auf wenige 100m an den Bahnhof ran. Dort habe ich dann endgültig Schluß für heute gemacht.
Fazit: Nach einer trüben ersten Hälfte doch noch ein toller Tag! (59km / über 2000HM)
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