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Stephane Hessel - Gewalt wirkt nicht

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2017 - Olne-Spa-Olne - Ich liebe Schlamm!

Geschrieben November 2007

Ich glaube, ich bin süchtig. Anders kann meine Leidenschaft kaum erklärt werden. Es begann ganz harmlos mit dem Versuch 100km zu laufen. Damals, 2004 beim Dodentocht, war ich viel zu dünn angezogen, es regnete in Strömen und ich bin stundenlang mit hängendem Kopf und klappernden Zähnen durch den Flämischen Schlamm gestapft. Bis auf die Haut durchnässt und bis zu den Knöcheln im Matsch: es war furchtbar. Ich habe an der Palm-Brauerei völlig entmutig aufgegeben und verzweifelt. Aber ich war infiziert. Denn anscheinend liebe ich mein eigenes Limit; bin wohl erst zufrieden, wenn ich richtig gefordert bin. Ich habe so viele nette Läufe gemacht, Eifel, Rursee, Düßeldorf, Köln, die Liste ist schon ziemlich lang. Aber die waren alle nur „ganz nett“ oder „lustig“. Und „ganz nett“ langweilt mich einfach. Und nur was mich nicht langweilt zieht mich an: Schlamm, Kälte, Regen, Hagel und die volle Packung. Deshalb war ich am Sonntag wieder in Belgien: Olne-Spa-Olne stand im Kalender. Hier würde ich meinen Stoff bekommen.

Der erste Km im Ort ist zum Warmlaufen, danach geht es über Feld- Wald- und Wiesen-Wege weiter. Und hier ist er: mein Schlamm! Es war trocken und hatte wohl auch in Nacht nicht geregnet, aber der Boden war weich und überall standen Pfützen. Der Belgische Matsch ist dunkl oliv-braun, kein Gelb oder Rot, sondern ehr Richtung Tarnfarbe. Außerdem sind maßig große Steine darin versteckt, damit man nicht einfach einsinkt, sondern sich dabei noch zuverläßig Knie und Köchel verdrehen kann. Er ist nicht besonders zäh oder Schuh-ausziehend, sondern ehr rutschig und glatt.

Die Strecke war im vergleich zu letztem Jahr leicht verändert, mir kam das erste Drittel bis zur Verpflegungsstelle etwas leichter vor, irgendwie weniger steil, weniger hügelig. Aber noch lange nicht flach! Die gut 66km vom Olne-Spa-Olne sind kein Spaziergang. An den wenigsten Stellen ist das überholen leicht, die Strecke hangelt sich auf kleinen Pfaden über die Hügel von Ort zu Ort.

Am Start war ich noch mit Georg, Markus und Tom zusammen, aber unsere Gruppe ist schon auf den ersten Metern zerfallen. Das war schlecht, weil ich Tom’s Kamera, Mütze und Jacke in meinem Rucksack hatte. Das Bischen Gewicht war nicht schlimm aber, nach ein paar Wolken bis km 15 und einem einzelnen Sonnenstahl bei km 20 fing es an zu Regnen und zu Hageln. Binnen Minuten fiel die Temperatur von etwa 8°C auf knapp über dem Gefrierpunkt und ein eisiger Wind kam auf. Ich hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil Tom jetzt irgendwo hinter mir frieren musste, während ich einfach meine eigenen Sachen aus dem Rucksack ziehen konnte.
Aber was sollte ich machen? Warten? Wie lange? 10min? oder 30min? Vielleicht hatte Tom auch aufgegeben oder sich den Fuß verdreht und ich würde umsonst auf ihn warten? Also habe ich alternativ überlegt, seine Sachen an einer Verpflegungsstelle für ihn ab zu geben und ein großes Schild zu malen: FüR TOM. Aber was, wenn’s jemand anders mitnehmen würde? Oder er tatsächlich hätte aufhören müßen? Es gab keine vernünftige Lösung: er musste sich halt durchbeißen. Ich wußte, daß er ein harter Hund ist. Er schafft den Stunt100, die Lybien-Challenge und 250km beim Deutschland-Lauf: da würden ihn ein knapper Marathon im Sauwetter auch nicht fertig machen! Trotzdem habe ich den ganzen Lauf über ein schlechtes Gewissen gehabt. Eigentlich immer dann, wenn mir beim Bergauf-Laufen ordentlich warm geworden ist.

Dieses Mal waren mehrmals schöne deutliche Km-Markierungen mit weißem Pulver in den Schlamm gestreut, so daß ich einigermaßen wußte, wie gut (oder schlecht) ich voran kam. Auf der ersten Hälfte war ich mit gut 7min/km einigermaßen flott unterwegs, die 50er Marke habe ich nach gut 6h erreicht. Schon erstaunlich, wie vergleichsweise leicht mir 50km Trail werden. Ok, es ist schwer und anstrengend, aber für 50km auf dem Olne-Spa-Olne oder dem P-Weg brauche ich genauso lang wie für 50km auf dem flachen Rundkurs von Troisdorf. Beim 6h-Laufen komme ich mir immer langsam und schwach vor; fühle mich nie so richtig in Hochform. Hier keuche ich zwar riegel-mampfend die Hügel hoch, dafür fliege ich grinsend wieder bergab. Fühlt sich einfach besser an.

Allerdings waren die Hügel zwischen 50 und 55 dieses mal besonders hoch und steil, denn für diese Km habe ich eine gute Stunde gebraucht. Das ist erstaunlich, denn keiner der Anderen hat für diesen Abschnitt so lange gebraucht. Bin ich da über ein paar extra Berge gerannt, oder waren für mich die Täler einfach tiefer? Irgendwo hier ist jedenfalls meine Lieblingßtelle: Es geht einen Hang runter, der immer steiler wird. Als ob man von einer Halbkugel runter laufen würde. Ganz unten kann man die Autobahn erkennen, unter der man durchläuft, aber der Hang wird immer Steiler. ähnlich wie bei einer Achterbahn, wenn man oben über den höchsten Punkt kommt und mit jedem Meter weiter schneller wird und erst wenn es richtig runter geht, die volle Strecke vor sich sehen kann! Einige Läufer haben sich hier rechts durch die Ginster-Büsche getastet, andere konnte ich links von mir zwischen den Bäumen wahrnehmen, aber ich bin grade runter! Mit ganz kleinen Tippelschritten und vorsichtig abbremsend, aber immer noch mit reichlich Tempo ging’s die total verschlammte Rutschbahn runter. Geiles Gefühl! Da möchte ich nicht hoch müßen. Trotz dieser schnellen Einlage habe ich auf der zweiten Hälfte eine bessere Zeit verschenkt.

Egal, ich wußte ich würde es schaffen, und ich war sicher auch etwas schneller als 2006, also war alles gut. Mit schön gleichmäßiger Belastung ging es also noch über ein paar weitere Hügel und schon war ich an der letzten Verpflegungsstelle, die hier Revitalisment heißen. Apropos Französisch: mit jedem Mal, wo ich hier laufe, lerne ich ein paar neue Wörter. Und an dieser Stelle kamen in der Erklärung des sehr nette Streckenpostens die Wörter: „sans kilomètre», „montagne» und „arrivé» vor! Vor allem das „arrivé» klang wie Musik in meinen Ohren. Im Klartext: noch einmal hoch, drei km wellig, ein Tal, noch mal hoch und ankommen! Mit 8:09 war ich eine gute halbe Stunde schneller als letztes Jahr und natürlich super zufrieden. Da hab ich meinen Greif-Plan erst vier Wochen und schon solche Erfolge. Und das obwohl nur Regeneration angesagt war. Wenn das so weiter gehts..;-))

Im Ziel habe ich dann auch Markus getroffen, der eben frisch geduscht und umgezogen die letzten Happen seiner Suppe vertilgt hat. Er hat sich nämlich um den selben Betrag verbessert wie ich, und war schon eine geraume Weile da. Während ich mir also meine (in den sieben Euro Startgebühr enthaltene!) Suppe geholt und meinen (ebenfalls enthaltenen!) Finisher-Pulli angezogen habe, ist uns auch klar geworden, warum es bei diesem Event kein Zeitlimit gibt. Die Belgier feiern in dem Vereinsheim einfach eine fette Party! Das Bier fließt in Strömen, die Stimmung ist laut und ausgelassen grade die letzten Ankömmlinge werden wie Helden aus der Schlacht begrüßt.


Fazit: Der OSO hat mal wieder super viel Spaß gemacht!

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