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2001 Helfer beim Berlin-Marathon
Geschrieben Herbst 2001
Die Erkenntnis, daß man als Helfer noch viel früher als die Läufer aufstehen muß
kam mir erst als der Wecker klingelte. Oh-shit, mitten in der Nacht. Da dies mein erster Einsatz als Helfer ist, finde ich mich ratlos an der angegebenen Stelle ein und frage nach meinem Ansprechpartner. Siehe da: man erwartet mich, jemand bringt mich zum Team-Leiter und ich bekomme eine kleine Einweisung. Hier sehe ich dann auch die Anderen Helfer meiner Station zum ersten mal. Unser Auftrag:
Im Zielbereich die Folien an die ankommenden Läuferinnen und Läufer
verteilen. Schon bald gibt es viel zu schleppen, die Folien wiegen in den
Stapeln doch mehr, als ich gedacht hätte. Das schöne am freiwillig Helfen ist
aber, daß man sich die Arbeit mit den Kollegen gerne teilt. Danach ist ein Moment Ruhe, bis die ersten Marathoni eintreffen. Zeit sich gegenseitig kennen zu lernen und ein bisschen "wir" Gefühl zu entwickeln. Schön. Ich fühle mich gut. Die Spitze hat ihre eigenen Helfer, Profiteams, die weit über die Niederungen von gewöhnlichen Plastikfolien erhaben sind. Die Runner mit Zeiten zwischen 2:30 und 3:00 sind noch wenige, teilweise schlecht gelaunt und mit der eigenen Leistung nicht zufrieden. Vielen von ihnen sehen aus wie Europäer, die versuchen Indische Asketen darzustellen. Hohle Wangen, ausgemergelte Körper, eiserner Blick (und ich habe mich heute morgen beim Blick in den Spiegel erschreckt!) Richtig anstrengend wird die Arbeit, als das Hauptfeld der Leute eintrifft (3:30 bis Ende). Aber nicht nur anstrengend: auch überwältigend. Rein optisch sehe ich nur noch Menschen, Zehntausende von Menschen, die um mich herum laufen. Durch das ständige Entgegenkommen bis auf kurze Distanz verliert man leicht die Orientierung. Nicht nur optisch/physikalisch sondern auch emotional. In unserer doch ehr gefühlsarmen (coolen!) Welt, war ich nicht auf eine solche Dosis Gefühl vorbereitet. Menschen die für eine Sekunde auftauchen, mir weinend um den Hals fallen vor Glück und Erschöpfung und dann mit Folie verschwinden. Tausende. Ich versuche, so wie meine Team-Kollegen, jedem ein gutes Wort oder Glückwunsch zu geben. Denn als Läufer kenne ich die Gefühlswelt der Teilnehmer genau und weiß wie gut dieser Willkommensgruß tut. Ab 4:30 kommt noch eine andere Komponente hinzu: die Läuferinnen und Läufer kommen in immer schlechterer Verfassung ins Ziel. Einige setzten sich, kaum das sie eine Folie haben, an den Straßenrand und bleiben sitzen. Ich versuche trotz des immer noch großen Andrangs, ein Auge auf die zu halten, die zu lange nur da hocken, da die Sanitäter jetzt alle Hände voll zu tun haben. Meistens reicht es, die Leute anzusprechen und gegebenenfalls zur Getränke-Ausgabe zu bringen. In anderen Fällen helfe ich beim Schuheaufmachen oder frage einfach nach dem Namen und ob dies der erste Marathon war. Zweimal rufe ich einen der Sanitäter zu Hilfe und wir schleppen das glückliche Häufchen Elend ins Sani-Zelt. Erstaunlicher Weise habe ich keine Frau gesehen, die vor Schwäche umgefallen wäre. Schon interessant. Sehr negativ sind mir einige Leute aufgefallen, die gleich ganze Pakete von Folien geklaut haben. So was von Rücksichtslos! Die kamen von den Umkleiden her, gingen einfach von hinten an die Tische und klauten wie die Raben. Hätte ich nicht so viel Arbeit und so viele Zeugen gehabt, hätte ich Watschen verteilt. Leider konnte ich nicht immer rechtzeitig eingreifen. Durch dieses diebische Pack waren leider für die allerletzten Läufer nicht genug Folien übrig. Das war schon traurig. Als Fazit kann ich sagen: ein ganz besonderes Erlebnis. Jede Läuferin und jeder Läufer sollte einmal als Helfer arbeiten, um sich selber mit anderen Augen zu sehen. Insgesamt waren beim diesjährigen Berlin-Marathon angeblich fast 6000 freiwillige ehrenamtliche Helfer im Einsatz. Ohne diesen Einsatz wäre weder dieser Lauf noch sonst ein Marathon möglich. Ohne die Helfer wäre Marathon nie so weit gekommen. Erst heute kann ich diese Leistung wirklich einschätzen. Danke für die Erfahrung. zurück zur Startseite |